Im Zeitalter von Hektik und Schnelllebigkeit fällt es meist schwer, Zeit für Bewunderung und Wertschätzung zu finden. Dabei sind es oft die kleinen Dinge im Leben, die uns glücklich machen. Die Textildesignerin Janina Sticken hat genau das schon während ihres Studiums bemerkt und sich vorgenommen, daran etwas zu ändern. Im Frühling 2013 eröffnete sie daraufhin ihren eigenen kleinen Laden auf St. Pauli. „Semper Klacks“ – das ist Plattdeutsch und bedeutet „ehrliche Kleinigkeiten“.
Was macht Semper Klacks so besonders?
Bei Semper Klacks geht es vor allem um Wertschätzung und Dankbarkeit. In unserer heutigen Wegwerf-Gesellschaft wollte ich für mich einen kleinen Gegenpol schaffen – so bin ich auf das Thema „Upcycling“ gestoßen. Beim Upcycling dreht sich alles darum, aus alten Dingen etwas schönes Neues zu kreieren. Oftmals werfen wir noch intakte Dinge weg, weil wir sie nicht mehr brauchen. Ich mache daraus mit ein bisschen Farbe, Nadel und Faden neue Besonderheiten. Bei Semper Klacks haben wir zum Beispiel upgecycelte Mützen, Hip-Bags, Geschirrtücher, Kerzen sowie Taschen und Schmuck. Die Sachen kommen sehr gut an, weil sie alle individuell gestaltet sind. Ein Unikat zu besitzen finde ich persönlich viel wertvoller, als etwas von der Stange zu kaufen. Beliebt sind auch unsere Geschirrtücher, die zum Teil aus besten Leinentischdecken aus den 50er-Jahren gefertigt sind – das freut mich besonders, wenn so hochwertige alte Dinge jemandem in ihrem neuen Gewand eine Freude machen können. Seit Kurzem bieten wir bei uns Upwined Candles an: Das sind Duftkerzen aus alten Weinflaschen, made in Hamburg.
Im März hast du ein Buch zum Thema „Upcycling“ herausgebracht. Wie kam es dazu?
Schon im Rahmen meines Textildesign-Studiums ist mir aufgefallen, wie viele Dinge weggeworfen werden, die eigentlich noch „richtig gut“ sind. Daraufhin habe ich meine Diplomarbeit diesem Thema gewidmet. Eigentlich wollte ich nach meinem Diplom nie wieder ein Buch schreiben (haha), aber durch meinen Job in einem Hamburger Requisitenverleih für Fotoproduktionen kam ein Kontakt zustande, der ein Buch von und mit Semper Klacks zum Thema Upcycling herausgeben wollte. Also haben wir gemeinsam ein Konzept entwickelt und bei mehreren Verlagen vorgestellt. GU war von Anfang an begeistert und so habe ich doch wieder ein Buch geschrieben.
Wo findest du Inspirationen für deinen Laden?
Ich gehe gerne auf kleine Designmärkte in Hamburg und nehme an Straßenfesten wie Hallo Frau Nachbar oder der Kreativnacht St. Pauli teil. Hier kann man sich sehr gut mit anderen Designern austauschen. Gerne lasse ich mich auch auf Reisen inspirieren. Erst grade war ich in Warschau und habe dort die ein oder andere schöne Kleinigkeit für meinen Laden gefunden. Es ist schön, mit offenen Augen durch die Welt zu laufen.
Wie schätzt du den „Upcycling-Trend“ ein?
Irgendwie habe ich das Gefühl, dass das Ganze noch immer ein dezent verstaubtes Image hat. Die Leute verwechseln Upcycling oft mit Recycling – dabei entstehen auf diese Weise viel direkter tolle Designerstücke. Mit meinem Fokus auf Umweltschutz reinige ich die gebrauchten Textilien vor der Verarbeitung mit umweltschonenden, parfümfreien Waschmitteln verwende ausschließlich schadstofffreie, wasserbasierte Farben im Siebdruck. In dieser Hinsicht bin ich echter Öko und ich merke, dass das Bewusstsein für Nachhaltigkeit und Individualität wächst – die Leute sehnen sich wieder nach handgefertigten, sorgfältig und liebevoll gestalteten Dingen.
Wenn du spontan etwas zum Thema „Wegwerfen“ ändern könntest, was wäre das?
Ich fände es toll, wenn es mehr Werkstätten gäbe, in denen man zum Beispiel alte Radios unter Anleitung selber reparieren könnte. In Deutschland kommt man ja leider meistens billiger weg, wenn man etwas neu kauft anstatt es reparieren zu lassen – das ist ja der Ursprung des Wegwerf-Problems. Auf diese Weise würden wir Dinge viel mehr wieder instand setzen, anstatt sie wegzuwerfen.
Dein Konzept geht ja sehr in Richtung Natürlichkeit und „Back to the Roots“. Bist du trotzdem im Internet unterwegs?
Natürlichkeit ist mir absolut wichtig, trotzdem lebe ich ja gerne mitten in der Stadt und bin auch online gut und gerne vernetzt. Semper Klacks hat einen Online-Shop und ein Facebook-Profil – darüber möchte ich meine Stammkunden erreichen und sie über Neuigkeiten informieren. Aus genau diesem Grund gefällt mir auch Findeling so gut. Facebook verlangt von mir, meine Beiträge zu bewerben, wenn ich alle meine „Fans“ erreichen möchte. So etwas mache ich nicht so gern. Trotzdem finde ich es toll, wenn Leute durch das Internet zu mir geführt werden, die sonst nicht hier vorbeigekommen wären. Ich finde es richtig gut hier, in meiner kleinen Seitenstraße mit ihrem Kopfsteinpflaster. Semper Klacks wirkt hier wie ein kleiner Geheimtipp. Auf der anderen Seite hält sich dadurch natürlich aber auch die Laufkundschaft in Grenzen. Toll finde ich Findeling auch für Touristen oder Austausch-Studenten. So lernen sie die Stadt ein Stückchen besser kennen und müssen nicht auf die standardmäßigen Hamburg-Souvenirs an den Landungsbrücken zurückgreifen.
Vielen Dank, Janina!
(Bilder: Semper Klacks)