Was macht das Sortiment eines kleinen Stores einzigartig? Mit der Berlin Fashion Week Anfang Juli ist wieder einmal der Startschuss für die neue Orderrunde gefallen. Tausende Firmen stellten ihre Frühjahr/Sommer Kollektionen für 2018 vor und präsentierten sie Einzelhändlern und anderen Resellern. Ein kreatives Konzept, eine unverwechselbare Auswahl von Marken und ein einzigartiges Gespür für Design sind die wichtigsten Erfolgsfaktoren für Local Stores. Aus diesem Grund haben wir Sabine Brandt, die Inhaberin des Perle Store getroffen: Ihr gutes Auge für vielversprechende Slow Fashion Brands hat sich – auch über Hamburg hinaus – einen Namen gemacht. Wir sprachen mit ihr über Messebesuche und Einkaufsrunden, die Ordertermine und ihr Gespür für Mode.
Wie bist du zur Mode gekommen und was hast du beruflich gemacht, bevor du deinen eigenen Store eröffnet hast?
Mode war schon immer meine Leidenschaft – sie fasziniert mich, seitdem ich 14 Jahren alt bin. Ich habe damals einfach angefangen mir meine eigenen Sachen zu nähen. Beispielsweise habe ich meine Lieblings-T-Shirts auf Stoff gelegt, einmal außen rum geschnitten und das Ganze anschließend selber zusammengenäht – so fing mein Interesse an. Nach dem Abitur wollte ich dann eigentlich eine Schneiderausbildung am Theater machen, doch auf Grund von zu wenig verfügbaren Stellen habe ich mich dazu entschieden, Industrieschneiderin zu lernen.
Zusätzlich habe ich ein Studium zur Modedesignerin absolviert und im Anschluss daran meinen ersten Job als junge Modedesignerin bei einer Firma in Stuttgart begonnen. Dort bin ich für knapp 3 Jahre geblieben, war dann aber auf der Suche nach etwas Neuem. Ich war immer noch total begeistert von Mode und hatte zum ersten Mal den Gedanken einen eigenen Laden zu eröffnen – damals natürlich noch mit dem Wunsch nach einer eigenen Kollektion. Ein Ferienjob in einem Bekleidungsgeschäft, den ich anfangs angenommen hatte, um die Verkaufsseite etwas besser kennenzulernen, brachte mich dann schließlich in meiner Entscheidungsfindung weiter. Mir wurde eine tolle Position in dem Geschäft angeboten, in der es mir möglich war auch erste Einkaufserfahrungen zu sammeln. Nachdem ich dann nach Hamburg gezogen bin, habe ich auch die Vertriebsseite der Mode kennengelernt und war freiberuflich für Vertriebsagenturen und Modelabels unterwegs. Parallel habe ich noch als Stylistin gearbeitet. Aber nach zwei Jahren freiberuflicher Tätigkeit kam mir dann immer mehr der Gedanke von einem eigenen Laden und somit habe ich letztendlich zusammen mit einer Partnerin meinen erstes Geschäft in der Weidenallee in Eimsbüttel eröffnet.
Was hat dich dazu bewogen ein eigenes Geschäft zu eröffnen und welche Vision hattest du?
Schon vor der Eröffnung, hatte ich Ideen für Produkte und Sachen, die es hier in Hamburg noch nicht gibt und die ich gerne zeigen möchte. Ich habe mir oft die Frage gestellt: „Warum bietet das eigentlich keiner an?“. Somit war es meine Ziel Produkte zu verkaufen, die mir selbst gefallen und in Hamburg kaum oder noch gar nicht verfügbar waren. Meine Kunden honorieren es natürlich auch, dass ich hier Sachen anbiete, die es woanders nicht gibt. Außerdem hat mir der Kontakt zu den Kunden total viel Spaß gemacht, das war natürlich auch einer der Faktor bei der Gründung. Ich möchte meinen Kunden ganz einfach ein tolles Einkaufserlebnis bieten – das ist es doch, was einen Local Store ausmacht.
Woher nimmst du die Inspiration für dein Sortiment?
Eine richtige Inspirationsquelle habe ich tatsächlich nicht, aber wenn man durch den Laden geht, sieht man wahrscheinlich, dass ich Farben nicht unbedingt abgeneigt bin – so eine gewisse Farbharmonie mag ich total gerne. Ich stehe auch total auf Muster! An schönen Pattern kann ich nicht einfach vorbeigehen. Was mir außerdem gut gefällt, ist eine schöne Mischung aus Alt und Neu. Ich bin schon früher gerne auf Flohmärkte gegangen. Hier im Laden habe ich auch einige alte Stücke, die ich teilweise zu Neuen umgebaut habe. Ich finde aus alten Sachen entstehe viel schöner neue Dinge. Auch auf Reisen habe ich immer noch ein Auge für schöne Dinge. Aus unserem Urlaub in Sizilien habe ich beispielsweise riesige Keramikköpfe mitgebracht, die jetzt in meinem Laden stehen.
Nach welchen Kriterien wählst du die Labels aus, die im Perle Store präsentiert werden?
Ich kaufe natürlich viel von kleinen Firmen, die ich gerne unterstützen und dann quasi mit aufbauen möchte, habe aber auch größere Brands dabei. Insgesamt achte ich bei der Auswahl darauf, dass die Produkte möglichst aus einer europäischen Herstellung stammen und gerne nachhaltige und ökologische Aspekte erfüllen. Ich würde zum Beispiel nichts mehr einkaufen, das in Bangladesch produziert wurde. Natürlich lassen einige große Firmen ihren Strick oftmals in China produzieren, aber dort stehen häufig auch die besten Strickmaschinen. Zudem muss man sagen, dass es natürlich auch vorbildliche chinesische Produktionsstätten gibt, in denen menschenwürdige Arbeitsbedingungen herrschen und alle Auflagen erfüllt werden. Beim Einkaufen sind mir aber natürlich auch der Schnitt und die Haptik sehr wichtig – und wie die Stoff fallen und in Bewegung aussehen. Ich möchte einen Stoff anfassen können. Ich achte sehr auf schöne Stoffe, das interessiert mich besonders und deshalb kaufe ich auch sehr gerne ein.
Welche Messen besuchst du und warum genau diese?
Ich mache vier Mal im Jahr meine Einkaufsrunden, das sind dann entweder Messen oder reine Ordertermine. Für mich ist das die schönste Aufgabe vom Laden, man bekommt so viele neue Eindrücke und Inspirationen. In Paris besuche ich die TRANOÏ, die Premiere Classe, die Man & Woman Show und die Maison et Objet. Aber auch abseits der Messen auf den Straßen von Paris sieht man sehr viel Inspirierendes. Laufen ist dort wunderschön, man sieht viele tolle Häuser mit wunderschönen Fassaden und natürlich auch tolle Geschäft. Außerdem sind in Paris so gut wie alle Firmen ansässig, auch die, die nicht auf den Messen vertreten sind. Eigentlich sind die wenigsten wirklich auf Messen, die meisten sind auf Showrooms in der Stadt verteilt. Es gibt beispielsweise ein Viertel, in dem sich die meisten Brands niedergelassen haben. Dort kann man einfach einen kleinen Spaziergang machen und kommt automatisch an mindestens zehn Showrooms vorbei. Praktisch ist es auch, wenn sich mehrere Firmen zusammen tun und gemeinsam einen Showrooms nutzen – das ist dann quasi auch eine kleine Messe. Zu Fuß mache ich dann meine Touren durch die Stadt. Am besten nimmt man sich dafür festes Schuhwerk mit, denn das letzte Mal habe ich mir Blasen gelaufen. Neben Paris besuche ich auch die Modemessen in Kopenhagen. Dort bin ich vor allem auf der Revolver, der Ciff und der Ciff Raven unterwegs. Ich finde Kopenhagen ist an sich auch eine sehr inspirierende Stadt und es gibt tolle skandinavische Firmen. Jahrelang bin ich auch noch auf die Berliner Modemessen gefahren, das mache ich inzwischen aber nicht mehr. Mir persönlich fehlen dort die Neuheiten, es gibt wenig neue Firmen, häufig stellen dort immer dieselben Brands aus. Wirklich toll ist aber der Berliner Modesalon, eine kuratierte Ausstellung, die deutsche Modedesigntalente fördert.
TRANOÏ Paris [Bild: © Victor Malecot]
Du hast mehr als 12 Jahre Einkaufserfahrung. Wie sieht aus deiner Sicht die Zukunft des Orderns aus?
Das ist eine gute Frage! Am Ordern an sich wird sich wahrscheinlich nicht viel verändern, nur der festgelegte Rhythmus könnte sich verschieben. Normalerweise werden die Kollektionen präsentiert, anschließend bestellen die Einkäufer ihre gewünschten Stücke und erst dann beginnt die Produktion. Letztes Jahr aber hat Burberry eine Ready-to-wear Kollektion präsentiert, die direkt im Anschluss in den Geschäften für jedermann erhältlich war. Sprich, die Firmen produzieren vor, zeigen dann die Kollektion und verkaufen sie direkt im Anschluss.So verschiebt sich jedoch der normale Rhythmus und es entsteht natürlich ein größeres Risiko für die Firmen. Normalerweise liegt das Risiko eher auf meiner Seite – ich bestelle die Teile oft knapp ein Jahr im Voraus.
Vielen Dank, Sabine!
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[Bilder: Findeling/ Perle Store / Victor Malecot]