Gut drei Wochen ist es her, dass Berlin zur Green Fashion Week lud. Wir haben uns vorher mit Magdalena Schaffrin, Modedesignerin und Mitbegründerin des Greenshowrooms und Ellen Köhrer, Journalistin und Bloggerin zum Thema Ethical Fashion getroffen – und etwas über ihr gemeinsames Buch Fashion Made Fair erfahren. Was die beiden antreibt, motiviert und bewegt lest ihr heute auf unserem Blog.
Woher kam euer Interesse, sich dem recht neuen Thema der nachhaltigen Modeproduktion zu widmen?
Magdalena Schaffrin: So neu ist das Thema gar nicht, denn die Wurzeln von nachhaltiger Mode sind bereits in den 70er Jahren zu finden – mit den ersten Pionieren, die sich damals, mit der Friedens- und der Ökobewegung gegründet haben. Genau das ist auch die Prägung, die ich in meiner Kindheit mitgenommen habe. Während meines Modedesign Studiums habe ich mich weniger mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftig – wichtig wurde es für mich dann wieder, als ich nach meinem Studium entscheiden musste, wo ich arbeiten wollte. Gleichzeitig wurde bereits in der Presse über die Umweltauswirkungen der Modeindustrie berichtet und über die zum Teil furchtbaren Arbeitsbedingungen geschrieben. Ich habe überlegt, welcher Bereich in der Mode mit meinem Wertesystem zusammenpasst und bin dann zwangsläufig auf den Bereich der Nachhaltigkeit gestoßen, denn ich wollte etwas Sinnvolles mit meiner Zeit und Energie anfangen. 2007 habe ich mein eigenes Label gegründet (bis 2012). Über die Recherchen für mein Label, habe ich mich richtig in das Thema eingearbeitet und auch die Komplexität immer besser verstanden. 2009 habe ich zusammen mit Jana Keller den „Greenshowroom“ gegründet, eine Messe für nachhaltige High Fashion, die zusammen mit der Ethical Fashion Show Berlin während der Fashionweek in Berlin stattfindet. Beide Messen werden heute von der Messe Frankfurt veranstaltet und ich bin als Creative Director tätig.
Ellen Köhrer: Ich habe mich schon immer für Mode interessiert – wahrscheinlich hängt das auch damit zusammen, dass wir in der Verwandtschaft seit 3 Generationen Modehäuser haben – ich bin also damit aufgewachsen. Aber es war eigentlich immer mehr ein privates Interesse. Dann war ich vor vier Jahren in Bangladesch und habe dort in der Textilbranche zu Corporate Social Responsibility – also Unternehmensethik und Sozialverantwortung von Unternehmen – und über Sozialunternehmen recherchiert. Ich war in Textilfabriken, die Fast Fashion produzieren. Ich habe ein Projekt besucht, das die Näherinnen über ihre Arbeitsrechte aufklärt und medizinische Versorgung anbietet. Außerdem war ich in den Slums und habe gesehen, wie die Näherinnen dort leben. Und ich habe ein kleines Sozialunternehmen besucht, das Kinderkleidung von Frauen auf dem Land in kleinen Werkstätten produzieren lässt. Die Frauen bleiben bei ihren Familien, müssen nicht in die Großstädte und können trotzdem Geld verdienen. Das alles waren für mich so Auslöser, mich mit dem Thema nachhaltige Mode zu befassen. Ich habe in Bangladesch festgestellt, dass mir eigentlich vorher gar nicht so genau bewusst war, was in der Modeindustrie heute los ist, was falsch läuft und wie man es anders und besser machen kann. Und dass es diese Lösungen bereits gibt.
Gab es auch einen solchen Auslöser, dann das Buch zu schreiben?
Ellen Köhrer: Die Idee für ein Modebuch hatte ich schon länger. Ich habe mich umgeschaut und gemerkt, dass es zum Thema ecofaire Mode keinen schönen, aktuellen Bildband gibt. Magdalena und ich hatten uns beim Greenshowroom während der Fashion Week Berlin kennengelernt und haben gemerkt, dass wir da auf einer Wellenlänge sind. Ich habe sie danach einfach gefragt, ob sie nicht Lust hätte, mit mir zusammen, ein positives Modebuch über ecofaire Mode zu machen.
Magdalena Schaffrin: Es war wirklich ein lustiger Zufall, denn ich habe einen Zettel auf meinem virtuellen Schreibtisch, mit Projekten und was da schon ganz lange stand war: Ein schönes Modebuch über nachhaltige Mode, welches durch die Bildsprache überzeugt. Aber alleine hatte ich mir das, rein aus dem journalistischen Aspekt nicht unbedingt zugetraut. Die Idee war da, aber ich brauchte jemanden, der mich anstupst. Wir haben dann auch gemerkt, wie toll wir uns ergänzen und wie sehr wir auf einer Linie sind – auch gestalterisch auszudrücken, dass diese Mode einfach schön ist.
Wie wichtig ist der „soziale Aspekt“ beim Thema Ethical Fashion?
Magdalena Schaffrin: Es geht natürlich immer um soziale und um ökologische Faktoren. Und was wir in dem Buch noch zeigen ist, dass das Thema über diese beiden Faktoren hinaus viel weit reichender ist. Transparenz ist zum Beispiel ein wichtiges Feld, Kreislaufwirtschaft oder Materialinnovationen. Aber natürlich sind die Sozialkriterien ein super relevantes Thema – immerhin arbeitet jeder fünfte Mensch weltweit in der Textilindustrie, Millionen von Menschen, leider und immer noch oft unter sehr schlechten Arbeitsbedingungen. Daher zeigen wir im Buch eine Reihe von Labels die zum Teil in sozialen Projekten produzieren oder sich engagieren, die nach den Prinzipen des fairen Handels arbeiten oder, die Arbeitsbedingungen kontrollieren. Am Ende geht es ja um den Menschen und das Recht aller Menschen auf ein freies und „gutes“ Leben.
Warum war es so wichtig, auch eine Messe für nachhaltige Mode ins Leben zu rufen? Und warum gleichzeitig mit der Fashion Week in Berlin?
Magdalena Schaffrin: Als ich mich mit Jana Keller zu einem Kaffee getroffen habe und wir uns als Designerinnen ausgetauscht haben, wurde im Gespräch schnell klar, dass wir eine Messe vermissen, die eine Modemesse ist und auf der das Thema Nachhaltigkeit als Selbstverständlichkeit wahrgenommen wird. Mit diesem Gedanken waren wir nicht allein, es gab eine Reihe von Labels, die genau so schon gearbeitet haben. Ich spreche hier gerne von einer zweiten Generation von Designern, weil es einen Umschwung im Denken gegeben hat. Wenn man sich in den 70er, 80er, 90ern ökologisch gekleidet hat, dann hat man das getan um eine politische Aussage zu kommunizieren. In den 90ern und 2000ern hat sich die Einstellung stark gedreht, da die jetzige Generation zwar öko lebt, aber nicht so aussehen will – sondern so modisch, wie jeder andere auch. Aus diesem Bedürfnis heraus haben sich viele Labels neugegründet. Unsere damalige Intention war auch, der Modewelt zu zeigen, dass es anders geht. Dass man genau so modisch sein kann, „auch wenn man“ ökologisch oder nachhaltig produziert. Und ich bin erstaunt, wie wichtig so ein Buch wie Fashion Made Fair auch 2016 ist, weil ich die Frage nach dem Look und ob Ökomode unmodisch aussieht, immer noch beantworte. Um die zweite Frage zu beantworten: Da wir uns in der Modebranche bewegen, muss der Greenshowroom zur gleichen Zeit wie die Fashion Week stattfinden um wahrgenommen zu werden.
Wie ist die Entwicklung in der Presse?
Ellen Köhrer: Seit ich mich mit dem Thema befasse, ist es auf jeden Fall gewachsen. Über die beiden grünen Messen Greenshowroom und Ethical Fashion Show Berlin wird auch in den großen Zeitschriften berichtet und nicht mehr nur in den Nischen oder der Fachpresse. Es wird definitiv breiter wahrgenommen und es gibt ja mittlerweile Umfragen, dass etwa 70 Prozent der Konsumenten bereit sind, nachhaltige Mode zu kaufen. Allerdings ist der Begriff nachhaltige Mode, nicht klar definiert.
Magdalena Schaffrin: Es ist immer noch ein Nischenmarkt, aber einer, der ein sehr starkes Wachstumspotenzial hat und auch schon ein deutliches Wachstum in den letzten Jahren hingelegt hat.
Was sind eure Wünsche – wohin soll es gehen?
Ellen Köhrer: Der Handel muss sich öffnen. Außerdem sollte nicht mehr in jedem Artikel über ecofaire Mode diskutiert werden, ob diese Mode tatsächlich schön aussehen kann. Gleichzeitig sollten sich die Redakteure mehr trauen und nicht immer auf diese Vorurteile zurückgreifen.
Magdalena Schaffrin: Meine große Vision ist es, dass wir nicht mehr über nachhaltige Mode sprechen müssen, sondern dass die der Standard sein wird. Mode (selbstverständlich unter ethischen, sozialen und ökologischen Kriterien produziert). Mein kleineres Ziel wäre es, dass ich irgendwann nicht mehr danach gefragt werde, ob ökologische Mode denn eigentlich modisch aussieht.
Vielen Dank für das spannende Gespräch!
(Fotos: Findeling / Prestel / Kathrin Harms)